Ein Tandemprojekt wird zur Freundschaft

Abschlussbericht von Anna

Es war wirklich nicht leicht sich in die Welt des Freiwilligenengagements einzufinden, die Vorstellungen der anderen Teilnehmer*innen haben mir jedoch sehr dabei geholfen mich zu orientieren. Ich hätte sehr gerne noch viel mehr mit ihnen diskutiert und ich hätte sie gerne alle einmal live kennengelernt. Es war oft sehr anstrengend alles unter einen Hut zu bekommen, das Semester war insgesamt kräftezehrend, besonders weil man wenig Ausgleich gefunden hat.

Ich denke, wenn Corona nicht gewesen wäre, hätte ich mehr Herzblut in dieses Projekt stecken können. Das bedauere ich sehr. Es fühlt sich ziemlich scheiße an, wenn man an allen Ecken und Enden daran gehindert wird zu helfen. Man fühlt sich hilflos und auch etwas nutzlos. Es macht mich sauer und verzweifelt und es beweist mir einmal mehr, was dieser sogenannte ,,Sozialstaat‘‘ so alles falsch macht. Schade, ich hätte gerne ein wenig Hoffnung darin gefunden. Diese habe ich jedoch bei den Teilnehmer*innen und den Organisationen gefunden, es ist schön zu sehen, dass viele Menschen meine Gedankengänge teilen und so viel Kraft und Liebe in alle möglichen Projekte stecken. Es ist ermutigend zu sehen, dass es doch viele Organisationen gibt, die sich für alle möglichen vom Staat vergessenen Probleme einsetzen. Ich denke, die Möglichkeit Netzwerke zu bauen, neue Ideen zu entwerfen etc. wäre ohne Corona weitaus größer ist, das find ich sehr schade.

Ich kann mein Projekt kaum noch als Projekt bezeichnen, es ist viel mehr so, dass ich einer Freundin helfe und sie mir. Ich möchte gerne an weiteren Projekten teilnehmen und ich habe das Gefühl, dass ich durch das Projekt besser weiß, wie Freiwilligenarbeit funktioniert und bewusster an die Wahl eines Projektes herangehen kann. Ich kann jetzt besser einschätzen, wo und wie Hilfe angebracht ist und wo und wie nicht. Was wirklich hilft und was vielleicht den falschen Menschen hilft. Zudem habe ich viele Anlaufstellen kennengelernt, bin sensibler für mein eigenes Verhalten gegenüber Menschen geworden, die Hilfe in Anspruch nehmen möchten und habe mehr Respekt und Verständnis gegenüber anderen Lebensweisen erlangt. Ich habe meine schnellen Urteile ein großes Stück zurückschrauben können und hinterfrage meine Gedankengänge kritisch. Durch das Projekt habe ich meiner Meinung nach einen großes Stück Entwicklung gewonnen. Es hat mir in einem halben Jahr die großen Fallen des freiwilligen Engagements gezeigt, wie ich damit umgehe, welche Projekte es gibt, wo wir freie Räume haben und, und, und… Ich bin sehr dankbar für all diese Erfahrungen und Denkanstöße. Es war sehr schön alle diese Menschen und Möglichkeiten kennen zu lernen. Vielen Dank für diesen schönen Einblick!!!

Zwischenbericht aus dem Tandemprojekt der FHH

Beitrag von Anna

Meine neue Freundin (Tandempartnerin) hat ihren B2 Kurs bestanden. Juhuuuu! Nun nimmt sie bis Juni an Projekt Pina teil. Dieses richtet sich an Pädagogische Fachkräfte, um fachspezifische Sprache zu lernen. Es macht ihr Spaß, doch sie ist sich unsicher, ob sie so gut mit Kindern umgehen kann.  In Syrien hat sie nur mit erwachsenen Menschen gearbeitet. Wir telefonieren immer noch sehr regelmäßig, auch wenn wir beide mittlerweile sehr müde geworden sind und uns endlich mal persönlich treffen wollen. Nun da Lockerungen begonnen haben bin ich leider wegen meines Berufspraktikums nicht in Hamburg und wir müssen uns noch etwas gedulden. Schön blöd das ich genau zum Ramadan zurück komme. Dann muss ich wohl nachts zum Essen kommen oder wir unternehmen etwas anderes. Es tut immer sehr gut mit meiner neuen Freundin zu sprechen und es freut mich sehr zu hören, dass sie große Fortschritte macht. Es ist toll über eine andere Lebensweise mehr zu erfahren und dazuzulernen wie an anderen Orten dieser Welt gelebt wird. Was für Menschen außerhalb meiner Blase wichtig sein kann und dass es nicht die eine richtige Ansicht oder die eine richtige Art und Weise gibt. Ich beginne Dinge zu verstehen die ich lange sehr verurteilt habe. Sie merkt wenn bei mir etwas nicht stimmt und fragt nach, ich finde es wirklich bewundernswert so etwas über den Bildschirm zu merken. Es ist ein schönes Gefühl in dieser schwierigen Zeit einen neuen Menschen als Freundin zu gewinnen und auch ihre Geschichte, in die sie mir Stück für Stück einen Einblick erlaubt, gibt mir Kraft, weil sie mir ihr Vertrauen schenkt. Insbesondere in dieser Zeit in der man mit fortlaufender Dauer seine Kraft verliert. Sie sagt mir immer wieder, dass ich alles schaffen kann und wenn ich sehe was sie gerade tut gewinne ich den Glauben daran zurück. Ich bin immer noch fasziniert von ihrer Zielstrebigkeit. Unser Verhältnis geht mittlerweile weit über das Projekt hinaus, wir sind Freundinnen geworden. Sie hat mir erzählt, dass sie gerne einen Schwimmkurs belegen möchte und wir haben uns darauf geeinigt uns sobald es wieder möglich ist zusammen einen Kurs zu suchen. Darauf freue ich mich sehr!

Man muss das Beste aus der jetzigen Situation herausholen

Abschlussbericht von Julianne

Ein ziemlich ungewöhnliches, neues und komisches Semester geht vorüber und hinterlässt nicht wenige Spuren… Es ist mittlerweile Alltag geworden, dass man nur noch aufsteht, sich Frühstück macht und dann den Rest des Tages am PC verbringt. Egal ob Homeoffice oder Uni, alles spielt sich nur noch in den gleichen vier Wänden ab und auch der 84028 Spaziergang ist leider keine große Abwechslung mehr. Das kratzt auf Dauer definitiv an der Motivation bzw. am Antrieb. Doch trotz all der vielen Beschränkungen und Hindernisse, die einem das Ehrenamt nicht gerade erleichtert haben, konnte ich dennoch viel für mich lernen.

Rock Your Life

Meine RYL-Mentee und ich hatten letztes Wochenende unser letztes „Training“. Die Trainings bestehen häufig aus einem Wochenende. Sie werden geleitet von Coach*innen von der Organisation, die dann ein bestimmtes Programm mit uns durchgehen. Das Wochenende wird aufgeteilt in einen gemeinsamen Tag mit Mentor*innen und Mentees und einen Tag nur mit Mentor*innen.

Diesmal waren wir nur vier Mentoring-Paare und haben uns alle online getroffen. Da meine Mentee und ich nicht viele Leute sehen und wir wenig davon hielten, uns nur online zu treffen, kam sie am Samstag zu mir und wir haben das 5h-Training zusammen durchgeführt. Es war die gleiche Coachin wie die letzten Male und deshalb direkt eine bestimmte Vertrautheit da.

Das Training war viel interessanter und lehrreicher als wir es uns beide vorgestellt hatten. Es ging hauptsächlich darum, auf unsere gemeinsame Zeit miteinander zurückzublicken und zu reflektieren, was wir in den letzten 1 ½ Jahren voneinander gelernt haben und ob wir unsere gesetzten Ziele vom Anfang auch umsetzen konnten. Außerdem ging es um die Frage, ob wir die Beziehung noch weiterführen oder ab jetzt getrennte Wege gehen wollen würden.

Gerade für mich war dieser Rückblick nochmal ein Antrieb weiterzumachen. Ich habe mich oft gefragt, ob es wirklich das richtige Ehrenamt für mich sei, da ich nie wirklich viel Veränderung gesehen habe bzw. mich sogar gefragt habe, ob sie meine Hilfe überhaupt benötigt. Doch nochmal von ihr zu hören, wieviel sie von mir in dieser Zeit lernen konnte und auch rückblickend zu sehen, wo wir gestartet haben und wo wir heute sind, hat mir die Wichtigkeit dieser Beziehung auf jeden Fall vor Augen gehalten.

Ich habe gelernt, dass viele Probleme nicht offensichtlich sein müssen und dass der Einfluss auch unterschwellig wirken kann. Durch Dinge, die für einen selbst kaum spürbar sein mögen, wie zum Beispiel das rege Zuhören, Vertrauen und durch Zuverlässigkeit, die man ihr zeigt. Schlussendlich haben wir uns beide dazu entschlossen die Mentoring-Beziehung „weiterzuführen“. Ich setze es in Anführungsstriche, weil es für uns mehr ist als nur ein Projekt oder Ehrenamt. Wir sind richtig gute Freunde geworden – wie eine große und kleine Schwester – und das ist in unseren Augen nichts, was man einfach so beenden kann oder beenden wird. Es wäre einfach nur komisch, jetzt den Kontakt zu beenden und würde sich für uns auch komplett unnatürlich anfühlen, denn unsere Beziehung geht weit über dieses „Projekt“ hinaus.

Auch der letzte Tag nur mit den Mentor*innen und der Coachin war sehr lehrreich. Für mich schien die Organisation immer sehr darauf aus, dass wir Mentor*innen wie eine Art „Retter*innen“ fungieren würden und den Mentees mit unserem vielen Wissen aus jeder Situation helfen könnten. Als seien wir fast „perfekt“ und hätten selber alles top im Griff…

Genau das war schön an dem Treffen am Sonntag: jede*r hat auch ihre*seine Probleme geteilt und es war nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen, denn auch wir „Vorbilder Mentor*innen“ haben Probleme und sind bei Weitem nicht perfekt. Es war einfach schön mal authentischere Seiten zu hören und zu merken, dass man nicht alleine im Boot sitzt. Denn auch wenn wir anderen helfen, heißt das noch lange nicht, dass wir unser Leben komplett durchorganisiert und problemlos im Griff haben. Auch wir konnten viel von unseren Mentees lernen.

Flüchtlingshilfe Harvestehude

Meine Tandempartnerin und ich haben versucht das Beste aus der Situation zu machen und sind, wie wahrscheinlich fast alle Menschen heutzutage, viel spazieren gewesen. Ich habe ihr so gut es ging versucht, im Freien beim Deutschlernen zu helfen oder einfach nur eine gute Zuhörerin zu sein.

Zwar bin ich bereits ehrenamtlich aktiv, doch die Arbeit mit Menschen mit Fluchterfahrung war für mich eine komplett neue und interessante Erfahrung. Deshalb haben mir die fast wöchentlichen Online-Meetings mit den anderen Ehrenamtlichen auch sehr viel gebracht. Einfach nur ihre Geschichten zu hören, mehr über ihre Erfolge/Misserfolge zu erfahren, die verschiedenen Arbeitsgruppen kennenzulernen und diese unglaublich inspirierende Hingabe für ihre Tandempartner*innen waren schon eine große Hilfe.

Wir haben uns gegenseitig viel ermuntert und versucht Lösungsansätze zu finden, wie man die Treffen bzw. das Deutschlernen etc. trotz Kontaktbeschränkungen erleichtern kann. Ich finde es zudem schade, wie sehr das Ehrenamt unter der jetzigen Situation leiden muss. Man stelle sich vor, komplett fremd und neu in einem Land zu sein, die Sprache kaum bis gar nicht zu können und dann mit all dem behördlichen, bürokratischen Kram komplett überrumpelt zu werden. Wer würde da nicht eine helfende Hand benötigen, mit dem nötigen Knowhow?

Genau dafür ist diese Tandembeziehung da und genau deshalb auch immens wichtig. Zum Beispiel gehen die Ehrenamtlichen zusammen mit ihnen zum Amt, bringen ihnen Deutsch bei, gehen auf Wohnungsbesichtigungen, Kochen einfach mal was zusammen und weichen selbst vor Gericht nicht von ihrer Seite. DAS ist für mich Integration. Genau diese Arbeit leisten die Ehrenamtlichen bei uns und das finde ich einerseits zwar sehr lobenswert, andererseits aber auch irgendwo selbstverständlich.

Dazu muss man auch sagen, dass die meisten von ihnen bereits pensioniert sind und daher diese intensive Zeit auch besser aufbringen können. Allerdings finde ich es schön zu sehen, dass sie ihre Zeit wertvoll nutzen, und zwar um Menschen zu helfen, die wirklich dringend (!) Hilfe benötigen. Genau das versuchen die Ehrenamtlichen trotz der vielen Beschränkungen weiter durchzuführen und es gelingt den meisten auch mit einigen Umständen.

Meine Tandempartnerin und ich versuchen momentan einfach nur durchzusetzen, dass sie endlich ihre Ausbildung anfangen kann, und das mit allen möglichen uns rechtlich erlaubten Mitteln. Sie ist mittlerweile einfach sehr frustriert, dass ihr nicht die Möglichkeit gewährleistet wird hier arbeiten zu können und endlich ein neues Leben anzufangen. All das obwohl sie einen Ausbildungsplatz sicher hat…

Ich merke einfach, wie hilflos und nutzlos ich mich fühle, da ich keine Ahnung habe von all dem Rechtlichen, allerdings auch immer wieder Neues dazulerne. Es ist nicht einfach, doch sie hat bereits einen sehr guten Anwalt an ihrer Seite und auch ich bin am Herumtelefonieren und versuche das Wissen und die früheren Erfahrungen der anderen Ehrenamtlichen dafür zu nutzen. Ich weiß, dass ich ihr mit dem rechtlichen Teil wenig weiterhelfen kann, allerdings weiß ich auch, dass jeder eine gute Freundin gebrauchen kann, die mit einem diese harte und nervenaufreibende Zeit durchsteht, und dafür bin ich da.

Ich freue mich jedenfalls, dass ich trotz dieser schwierigen und ungewohnten Zeit eine super Tandempartnerin und Freundin dazugewonnen habe, der ich bereits helfen kann, indem ich einfach für sie da bin und von der ich durch ihren Ehrgeiz ebenso viel für mich im Leben dazulernen konnte. Manchmal muss man einfach das Beste aus der Situation machen, Lösungswege finden und versuchen, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Häufig klappt das nicht alleine, sondern vielmehr durch die Hilfe anderer. Das habe auch ich gemerkt in den Meetings, denn die Probleme gehen durchs Nichtstun leider nicht weg und die Menschen brauchen auch immer noch unsere Hilfe.

Zweiter Versuch bei der Tandemsuche

Beitrag von Anna

Ich habe inzwischen eine neue Tandempartnerin zugeteilt bekommen und mit ihr macht es sehr viel Spaß. Sie möchte hauptsächlich Deutsch mit mir lernen, da sie im Februar ihre mündliche B2-Prüfung hat. Wir treffen uns 2-3 mal die Woche über Zoom, gehen ihre Themen durch und besprechen Sachen, die sie noch nicht verstanden hat.

Diese Woche haben wir die Unterschiede zwischen „dasselbe“, „das gleiche“ und „ähnlich“ besprochen, das habe ich auch erst recht spät gelernt zu unterscheiden. Es fühlt sich noch etwas befremdlich an jemandem für mich völlig selbstverständliche Dinge zu erklären, ich komme mir dabei so unangenehm belehrend vor. Trotzdem gibt es mir einen neuen Blick auf die deutsche Sprache und ihre Komplexität.

Manchmal quatschen wir auch einfach so über Gott und die Welt. Es ist schön gerade jetzt mal ein neues Gesicht zu sehen. Meine Tandempartnerin hat eine sehr willensstarke fröhliche Persönlichkeit, sie arbeitet darauf hin wieder als Lehrerin arbeiten zu können. Es ist sehr angenehm mit ihr zu sprechen und wir lachen viel. Ich freue mich sie hoffentlich bald mal treffen zu können und die Einladung zum Essen annehmen zu können.

Tandem mit einem Mädchen aus dem Iran

Zwischenbericht von Julianne

Mein Einstieg in das Engagement verlief zuerst super schnell und einfach. Nach einem Anruf bei der Flüchtlingshilfe Harvestehude und einem ausführlichen Gespräch über das Patenschaftsprojekt, einer kleinen Vorstellung meinerseits und meines Tandem-Partners, hieß es, dass die Lehrerin des Jungen sich nun mit mir in Kontakt setzen werde und ich dann alles Weitere mit ihr abklären könnte. Dies alles war Anfang November 2020.

Tja, so einfach und schnell das alles schien, war es leider doch nicht. Nach vermehrten unbeantworteten Emails und Anrufen an die Organisation, wann sich die Lehrerin denn melden würde, bekam ich Ende Dezember 2020 endlich einen Rückruf. Leider haben sie nichts mehr von ihr gehört und konnten daher das Kind nicht vermitteln. Dennoch hatte die Organisation eine andere Tandempartnerin vorgeschlagen, die auch noch eine*n Patin*en suchte. Natürlich habe ich nicht gezögert und direkt zugesagt.

Ihr Deutschlehrer hatte sie an die Organisation vermittelt und wollte daher erstmal ein kurzes Gespräch mit mir führen. Angeblich hätte er schon ein paar Erfahrungen gemacht mit älteren Damen, die diese Patenschaft mehr für sich und ihr Mehrwertgefühl gemacht haben und dadurch leicht übergriffig wurden, indem sie sich zu sehr in Privates eingemischt hatten. 

Nach einem nettem Gespräch mit dem Deutschlehrer habe ich die Kontaktdaten des Mädchens bekommen und hat er ihr meine weitergeschickt. Meine Tandempartnerin hat sich danach direkt bei mir gemeldet und wir haben uns für einen Spaziergang an der Alster verabredet.

Das Treffen verlief super und wir haben uns sehr gut verstanden. So gut, dass uns die Kälte egal war und wir ganze vier Stunden spazieren waren. Sie hat mir direkt von Anfang an sehr viel über sich und ihre Lebensgeschichte erzählt. Ich habe ihrerseits direkt eine tiefe Vertrautheit empfunden und fand es schön, dass sie mir diesen Vertrauensvorschuss gab. Ihr ist es wichtig, dass ich sie so gut es geht kennenlerne und dazu gehöre nun mal ihre Geschichte. Dieses Treffen und dieser Vertrauensvorschuss sind meiner Meinung nach ein schöner Erfolg , auf dem man sehr gut aufbauen kann.

Ich finde es unglaublich inspirierend, wie sie es meistert, mit so einem harten Schicksal trotzdem noch so eine unfassbar ambitionierte, starke Person zu sein, die sich von nichts und niemandem runterziehen lässt. Auch ich kann noch sehr viel von ihr lernen und bin sehr gespannt, wie sich die Tandembeziehung weiterentwickelt.

Tandem – gar nicht so einfach

Zwischenbericht von Anna

Nach dem ich einen Tandempartner zugeteilt bekommen habe, hatte ich ein sehr gutes erst Gespräch mit einer jungen Frau und ihrem Mann. Da sie leider noch gar kein Deutsch sprach, musste er übersetzen. Er ist sehr freundlich und beide haben eine unglaublich freundliche Art. Er erzählte mir, dass sie die Wohnung nicht verlässt, wenn er nicht da ist, weil sie Angst hat sich nicht zurechtfinden.

Wie beklemmend, denke ich, doch was weiß ich schon, wie es ist völlig ohne eigene Hilfsmittel in einem Land zu wohnen, welches solch andersartige Strukturen aufwirft. Ich erinnere mich an meine Reise nach Japan, wo kaum jemensch Englisch sprach und die Leute mir versuchten wild gestikulierend den Weg zu erklären. Ich war völlig abgehängt von dieser Gesellschaft und es war unglaublich schwer einen Anschluss zu finden.  

Nachdem ihr Mann mir sehr deutlich gesagt hatte, dass sie ein Kopftuch tragen muss, wenn wir uns mit anderen Personen treffen oder die Wohnung verlassen würden, habe ich mich selbst sehr schnell bei einem unglaublich schlimmen Vorurteil erwischt, er würde sie unterdrücken. Ich konnte nicht nachfragen, ob das ihr Wille oder seiner war und ich fände diese Frage auch äußerst unverschämt. Das hat mich sehr schockiert und geärgert. Ich, die ja angeblich so offen, so links, so informiert und so unvoreingenommen ist, muss sich jetzt mit den allgegenwärtigen Vorurteilen, die ich ja angeblich abgelegt habe, auseinandersetzen.

Das hat mich unglaublich geärgert und mir sehr zu denken gegeben. Direkt habe ich die Angst verspürt, mit ihm aneinanderzugeraten. Mir ist das selbstbestimmte Leben von Frauen unglaublich wichtig, ich werde wütend, wenn sich eine Freundin von irgendeinem Mann etwas vorschreiben lässt. Erschreckend, wie weit eine Aussage meine Gedanken treibt, wie einfach meine Denkmuster mich austricksen können.

Man muss stets wachsam bleiben, um seinen Gedanken auf die Schliche zu kommen und sie bearbeiten. Diese Arbeit muss kontinuierlich auf die eigenen Verhaltensmuster angewandt werden, um nicht voreingenommen zu interagieren. Ich fühle mich schuldig, wie dreist ist es denn nach einem Gespräch über solche Dinge urteilen zu wollen. Ich habe mich da gar nicht einzumischen! Dafür bin ich nicht da, dafür ist die Bindung nicht da und es ist nicht mein Recht. Das ist Diskriminierung!

Daraufhin habe ich mich an Freunde gewandt, die selbst Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht haben. Mein Ärger ist schnell vergangen. Denn schon dass ich mich dieser Gedanken schäme, sagten sie, sei gut, wichtig und helfe mir mich mit meinen eignen Vorurteilen und meinem eigenen Rassismus zu beschäftigen. Wir weißen Menschen sind ja meist angeblich nicht rassistisch und haben natürlich auch keine Vorurteile. Damit konfrontiert zu werden und sich der eigenen Denk- und Bewertungsmuster bewusst zu werden gibt mir die wertvolle Möglichkeit mich mit meiner (weißen) Arroganz und meinem Selbstbild auseinanderzusetzen, mir dieser besser bewusst zu werden und daran zu arbeiten.

Nach dem Gespräch haben wir angefangen ein wenig über WhatsApp zu schreiben. Sie startete mit Fragen über meine Familie und ich frage mich, was das wohl in ihr auslöst über ihre zusprechen. Macht sie sich Sorgen? Wie ist das wohl so weit von den Liebsten weg zu sein? Wie weit kann ich mit meinen Fragen gehen? Ich weiß ja gar nicht, was sie erlebt hat. Geschweige denn, was das in ihr hervorruft.

Leider war ihr das Ganze etwas zu viel, da sie zur Zeit auch noch keinen Deutschkurs belegen kann und dann hat sie sich nicht mehr gemeldet. Frustrierend, aber verständlich. So gerne hätte ich sie unterstützt, auch wenn es schwer geworden wäre, aber ich kann niemandem helfen, der meine Hilfe nicht annehmen kann oder will. Nun warte ich darauf, dass ich einen neuen Termin für ein Gespräch mit einer anderen Person bekomme. Ich werde weiterhin an den Sprachcafés teilnehmen, die das Tandemprojekt zusätzlich anbietet.

Es tut sich während der Pandemie überall recht wenig, so fühlt es sich zumindest an. Es ist schwer zu helfen, und das Paradoxe ist, es ist nicht so, dass die Hilfe nicht angeboten würde, sie wird gehindert. Teils aus verständlichen und teils aus unverständlichen Gründen. Es umhüllt mich das Gefühl, dass der Staat nicht mehr für die Grundsicherung der Bevölkerung da ist, sondern für die Grundsicherheit der Privilegierten und der großen Firmen d.h. der Wirtschaft. Also muss sich die Bevölkerung wieder neue Wege ausdenken, um nicht vom Schiff zu fallen und am besten noch andere mit hochzuziehen.