Wehmut statt Mutausbrüche

Abschlussbericht von Paula

Freude, Erleichterung, Gleichgültigkeit, oder vielleicht maximal ein kleines „Schade“ – das sind die Gefühle, die ich in der Regel nach Abschluss eines Unikurses verspüre, aber Wehmut!? Irgendwie weiß ich damit nicht so richtig etwas anzufangen. Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass ich wahrscheinlich einfach noch nicht an genügend Kursen dieser Art teilgenommen habe. Das liegt nicht zuletzt daran, dass diese im normalen Curriculum nach wie vor eher rar gesät sind.

„Ziviles Engagement und Studium verbinden“ bot eine großartige Plattform, um Gleich-gesinnte zusammenzubringen und sich mit Themen wie Zivilcourage und Solidarität auseinanderzusetzen – Themen, die in meinen Augen grundsätzlich Bestandteil der uni-versitären Lehre sein sollten, wenn eine Universität zu einer soli-darischen und starken Zivilgesellschaft beitragen möchte.

Aber spulen wir noch einmal zurück an den Anfang des Semesters. Eigentlich landete ich nämlich nur durch Zufall in diesem Seminar, nachdem eine andere Lehrveranstaltung bereits ausgebucht war. Eine anfängliche Skepsis kann ich kaum leugnen, da ich zunächst überhaupt keine Vorstellung davon hatte, wie so ein Seminar aussehen sollte. Ich wurde jedoch rasch eines Besseren belehrt.

Erstaunlich schnell landete ich im Projekt der Zinnschmelze „Halt! In Zeiten der Erschütterung“. Obwohl mich daran ursprünglich inhaltliche Schwerpunkte wie Rechts-populismus und struktureller Rassismus in Deutschland interessiert hatten, war es rückblickend eine glückliche Fügung, auch einmal Einblicke in die mir vergleichsweise unbekannt-eren Gefilde der deutschen Kulturszene erhaschen zu können.

Plan B mit Mutausbrüchen

Abschlussbericht von Luisa

Das Wintersemester 2020/21 neigt sich dem Ende zu, und somit auch die Zeit im Seminar und im Engagementprojekt. Nachdem die ersten paar Monate hauptsächlich aus Gesprächen, Meetings und Planung bestanden, ging es seit Anfang des neuen Jahres und mit Beginn der Prüfungsphase auch bei „HALT! In Zeiten der Erschütterung“ in die heiße Phase.

Glücklicherweise ging unsere vorherige Planung auf und alle unsere Interviews konnten wie geplant stattfinden. Ohne Frage, es hat ein bisschen Überwindung hier und einen mittleren Mutausbruch da gebraucht, um die Interviews durchzuführen. Aber ohne ein Fünkchen Aufregung wäre das Ganze wohl auch nur halb so besonders gewesen und am Ende können wir meiner Meinung nach wirklich zufrieden mit den Ergebnissen sein.

Rückblickend bin ich sehr dankbar, für die vielen Informationen und Erfahrungen, die ich durch das Projektseminar innerhalb weniger Monate für mich mitnehmen konnte. Durch das Engagement konnte ich mit einer tollen Gruppe zusammenarbeiten (Shoutout an der Stelle an Cornelia, Lukas und Paula), ein Teil von Interviews mit echten Expert:innen der Hamburger Kulturszene sein, habe durch das Projekt die Zinnschmelze kennengelernt und mich am Tonschneiden probieren können (und dabei für mich feststellen können, dass ich in diesem Leben definitiv keine Tonfrau werde) und, und, und…

Corona hat zwar dafür gesorgt, dass ich nicht wie ursprünglich geplant in der Obdachlosenhilfe ein Engagement beginnen konnte, allerdings bin ich auch sehr zufrieden mit meinem „Plan B“ geworden und möchte die letzten Monate mit „HALT!“ nicht missen. Und obwohl das Semester und auch das Seminar nun beendet sind, bleibt es noch ein bisschen spannend, denn die Interviews brauchen noch ein wenig Zeit bis zur finalen Veröffentlichung. Ich bin schon gespannt auf die fertigen Podcasts, dann so richtig mit Jingle und allem Drum und Dran!

Action! Cut! It’s a wrap!

Beitrag von Luisa und Paula

Action!

Wie bereits in unserem Zwischenbericht angekündigt, konnten wir nach unserer Vorbereitungs- und Planungsphase endlich richtig mit den Interviews durchstarten. Interview-Fragen geschrieben, Gäst:innen kontaktiert, Termine vereinbart – und los geht’s!

Aufgrund der aktuellen Regularien mussten unsere drei Gespräche über Zoom stattfinden und aufgezeichnet werden. Unser Dreier-Gespann teilte sich so auf, dass wir jeweils in Zweier-Teams unsere Gesprächspartner:innen interviewten. Da im Gegenteil zu unseren großartigen Gäst:innen niemand von uns Interview- geschweige denn Podcast-Erfahrungen vorweisen konnte, lässt sich ein wenig Aufregung vor unseren Einsätzen wohl kaum leugnen.

Ende Januar 2021 gaben Lukas und Paula ihr Interview-Debüt und durften den Hamburger Musiker, Produzenten, und Dozenten Sigi Dresen willkommen heißen. Mit ihm sprachen wir über die Stimmungslage in seinem kreativen Umfeld, mögliche Wege, um die Kulturlobby zu stärken, sowie Inspiration und kreatives Schaffen in Corona-Zeiten.

Im zweiten Interview tauschten sich Luisa und Lukas mit Alexandra Gramatke aus. Neben ihrer Arbeit als Regisseurin und Drehbuchautorin ist sie auch Geschäftsführerin der Kurzfilm Agentur Hamburg e.V.. Alexandra Gramatke berichtete unter anderem über ihre Eindrücke und Meinung bezüglich Themen wie der gesellschaftlichen Bedeutung von Kurzfilmen, der Solidarität der Filmbranche in Corona-Zeiten oder dem Nutzen von Streaming-Events. Bei der Gelegenheit sprachen wir auch gleich über künftige Veranstaltungen und Festivals, wie das Kurzfilm-Festival im Juni 2021, und über Gramatkes diesbezügliche Wünsche und Erwartungen.

Auch in unserem Fall waren alle guten Dinge die sprichwörtlichen Drei und Hamburgs Kinolegende Matthias Elwardt erfreute uns mit einem virtuellen Besuch im Podcast. Matthias Elwardt ist seit über 30 Jahren im Kinogeschäft tätig, davon fast drei Jahrzehnte als Geschäftsführer des Kultkinos Abaton und heute in derselben Position in den Zeise Programmkinos. Im Interview erzählte er uns, Luisa und Paula, von Hindernissen und Chancen, die sich der Kinowelt im Zuge der Pandemie aufgetan haben, und wie mit innovativen Ideen, wie z.B. dem Wunschkino, versucht wird, das Beste aus der Situation zu machen. Zudem sprachen wir über den Wandel zum Streaming und dessen Bedeutung für die Zukunft der Kinos.

Auch wenn es aufgrund kleiner Patzer oder technischer Tücken hin und wieder etwas holprig zuging, waren wir insgesamt zufrieden und erleichtert, diesen Meilenstein unseres Projektes abgeschlossen zu haben.

Cut!

Zu jeder Action gehört ein Cut – nicht nur im Filmgeschäft. Kaum hatten wir alle Interviews im Kasten, musste auch schon der Schnitt geplant werden. Dabei wurden wir drei Laien glücklicherweise tatkräftig von Cornelia unterstützt, die uns kurzerhand einen Crashkurs für ein Audiobearbeitungs-Programm anbot. Nachdem sie uns gezeigt hatte, wie man Lautstärkeanpassungen vornimmt, ungewünschte „hms“ und „ähms“ entfernt und vieles mehr, machten wir uns selbst ans Werk. Erst beim Schneiden wurde uns bewusst, wie viel Arbeit in vielen Podcast-Produktionen stecken muss. Es dauerte einige Stunden, bis wir uns überhaupt in die Prozesse eingefuchst hatten. Auch wenn uns die Gespräche während der Aufzeichnungen ziemlich natürlich und fließend vorgekommen waren, entdeckten wir mehr Versprecher, Störgeräusche und Laute als wir für möglich gehalten hätten. Außerdem überraschte uns, dass uns bei der Bearbeitung nach einer Weile das Gespür/Gehör für diese Feinheiten verloren zu gehen schien. Insgesamt führten diese Eingebungen dazu, dass wir unser Folgetreffen nochmals aufschoben, um ausreichend Zeit für eine vernünftige Bearbeitung zu haben.

It’s a wrap!

Am Ende ist es uns ein Anliegen, nicht nur den Zuhörer:innen, sondern vor allem auch unseren Gäst:innen gerecht zu werden. Inzwischen befinden wir uns endlich auf der Zielgeraden, denn es fehlen nur noch das Intro und ein ansprechender Jingle, der vom Team der Zinnschmelze beigesteuert wird. Nach ihrer endgültigen Fertigstellung werden unsere drei Folgen dann in regelmäßigen Abständen als Teil einer Podcast-Reihe zum Zinnschmelze-Projekt „Halt! In Zeiten der Erschütterung“ erscheinen. Hoffentlich seid ihr darauf genauso gespannt wie wir!

So langsam geht es ans Eingemachte

Zwischenbericht von Luisa und Paula

Wenn wir daran zurückdenken, dass wir zu Beginn des Projektes erst einmal ausloten mussten, welchem Themenschwerpunkt wir uns in welcher Form nähern möchten, freuen wir uns sehr darüber, dass wir inzwischen konkrete Pläne entwickelt haben. Diese warten nur darauf in den kommenden Wochen in die Tat umgesetzt zu werden. Seit unseren letzten Einträgen haben wir uns im Team mit den Herausforderungen und Fragen auseinandergesetzt, die die Kulturbranche momentan beschäftigen. Aus unseren Recherchen sind drei Essays entstanden, von denen zwei hier auf dem Blog zu finden sind.

Luisa: In meinem Text beschäftige ich mich mit der Frage „Wie hat Corona das Leben von Künstler*innen und Kulturschaffenden verändert?„. Bei meiner Recherche wurde mir schnell klar, dass nahezu jeder Berufszweig in der Kulturbranche schwer von der Krise getroffen ist, und die damit verbundenen Herausforderungen weit über finanzielle Probleme hinausgehen. Denn durch die unzähligen abgesagten Veranstaltungen, die zahlreichen verschobenen oder gestrichenen Projekte, ohne das Publikum, ohne den Applaus, die Euphorie der Menge, ohne das Zusammenkommen von Menschen, fehlt vielen in dieser Zeit ein bedeutender Teil ihrer Identität.

Paula: In meinem Essay beleuchte ich die Bedeutung von „Systemrelevanz“ in der aktuellen COVID-Krise und diskutiere, inwieweit Kunst und Kultur „systemrelevant“ sind. In der Vorbereitung des Essays bin ich auf viele spannende Aspekte gestoßen, die mich dazu anregten, die (Stellen)Werte bestimmter Akteur*innen in unserer Gesellschaft zu hinterfragen. Wie können wir unsere Welt in „systemrelevant“ und „entbehrlich“ unterteilen, wenn die Krise so deutliche Schwächen des zu rettenden Systems offenbart hat? Ich frage mich manchmal, ob unser System vielleicht selbst mal einen Relevanzcheck vertragen könnte und hoffe, dass die Krise als Chance für Veränderung wahrgenommen wird. Den Bogen von hier zurück zur Kultur zu spannen, ist einfach, denn wie mein Gedankenkarussell zeigt, sind Kunst und Kultur genau deswegen so relevant, weil sie neue Gedanken anregen und Raum zur Selbstreflektion und Verarbeitung bieten. Lest gerne den ganzen Text auf dem Blog: Sind Kunst und Kultur „systemrelevant“?

Für die kommenden Wochen haben wir uns beim heutigen Team-Meeting (8. Januar 2021) einige Ziele gesetzt. Da Lukas bereits spannende Interviewpartner*innen für unser Projekt gewinnen konnte, steht zunächst einmal die Vorbereitung der Leitfaden-Interviews im Vordergrund. Das bedeutet: Fragen entwickeln, Aufnahmetermine arrangieren und technische Umsetzungsmöglichkeiten erproben. Ende Januar soll es dann mit den ersten Zoom-Calls losgehen. Da die Zusagen von Kulturschaffenden aus völlig unterschiedlichen Bereichen stammen, werden uns diese sicherlich interessante Einblicke in ihre jeweiligen Arbeitsfelder gewähren. Wenn alles klappt, werden die Interviews am Ende nicht nur verschriftlicht, sondern sogar als Podcast veröffentlicht werden. Da dieser Bereich Neuland für uns ist, freuen wir uns auf die neue Erfahrung.

Wie Corona das Leben von Künstler*innen und Kulturschaffenden verändert

Ein Essay von Luisa

Bereits zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 gaben bei einer Umfrage in der Berliner Kulturszene über 80 Prozent der Befragten an, unter Existenzängsten zu leiden und sich um bevorstehende Zahlungen von grundlegenden Lebenshaltungskosten zu sorgen. Durch die Coronakrise sind laut Statista über 256.600 Unternehmen betroffen, Selbstständige, Kleinunternehmen und Freiberufler*innen noch nicht mit eingerechnet.

Im Podcast „NEVER LUNCH ALONE“ der Kreativgesellschaft Hamburg sprechen unter anderem zwei Gäste aus der Literaturbranche über ihre derzeitige Situation. Corona bedeutet für Verleger*innen und Autor*innen nicht nur finanzielle Einbußen, sondern auch emotionale. Projekte, die teilweise monate- bis jahrelang geplant wurden, müssen aufgeschoben oder gar ganz gecancelt werden, sämtliche Lesereisen und Vorlesungen sind abgesagt worden, viele Neuerscheinungen fallen ins Nichts durch die ausbleibende Promotion. Um einen Teil des Ausfalls zu kompensieren, werden inzwischen viele Lesungen und andere damit verbundene Veranstaltungen online abgehalten. Dennoch sind fast 95 Prozent der Onlinelesungen kostenlos, worin die Schriftstellerin Carla Paul neben den anfallenden finanziellen Einbußen auch zunehmend eine mangelnde Wertschätzung des Kreativen sieht.

Der Einzelhandel hat sich ebenfalls im Internet positioniert, was laut Christina Hoffmann, die Besitzerin eines Buchhandels ist, von der Bevölkerung gut angenommen wurde. Während des Lockdowns finden Beratungsgespräche per WhatsApp, Zoom oder ganz klassisch übers Telefon statt. Daneben sind zahlreiche innovative Ideen entstanden und in die Realität umgesetzt worden, wie etwa der Verkauf von Survival-Kits und Überraschungstüten, um die Kund*innen bei Laune zu halten. Auch wenn die Bereitschaft zur Unterstützung durch die Bevölkerung (vor allem auch der Stadtteile) riesig sei, mangele es an Unterstützung vom Staat.

Ebenfalls zu Gast war ein Vertreter der Programmkinos (KultKino Abaton). Wie im Fall des Abatons, sind die meisten Kinos seit März 2020 geschlossen und versuchen durch Crowdfunding zu überleben, teilweise auch durch gemeinsame Kampagnen mit anderen Programmkinos (z.B. auf der Plattform startnext). Um nicht in Vergessenheit zu geraten, werden die Social-Media-Kanäle intensiv genutzt, und Projekte wie Kurzfilmreihen umgesetzt, oder der Vertrieb von Filmen über kino-on-demand.com. Problematisch für die Kinos ist die gewaltige Konkurrenz im Internet durch Streaming-Riesen wie Netflix, Amazon Prime und Co. Der Gutscheinverkauf, der insbesondere kurz nach Ausbruch der Pandemie viel besprochen wurde, laufe zwar gut, stelle aber im Vergleich zum Ausfall nur einen Tropfen auf dem heißen Stein dar und sei wie der Popcorn-Verkauf im Sommer auf der Straße vor dem Kino wohl mehr eine emotionale Stütze als eine finanzielle.

Dass während der Krise aber auch erfolgreiche zukunftsfähige Projekte erschaffen werden können, beweist das Gespräch mit den Gründer*innen von SAVE THE ART, die Ticketbesitzer*innen mit Hilfe von Liveübertragungen einen Theaterbesuch ins Wohnzimmer bringen. Besonders an diesem Konzept ist die Erfahrung eines „quasi richtigen“ Theaterbesuchs, mit Abendbegleitung, Pause etc. Das Projekt bietet unterschiedlichsten Künstler*innen eine Plattform, von Poetry Slam über Musik bis hin zur Comedy. Die Veranstaltung wird in einem Theatersaal aufgezeichnet, der normalerweise eine Kapazität für maximal 30 Zuschauer*innen hat. Je nachdem wie viele Besucher*innen jetzt ein Ticket kaufen, kommt es aber dank der Onlineübertragung derzeit zu einer Auslegung von bis zu 80 Teilnehmer*innen pro Show. Die Gründer*innen sehen darin ein tragfähiges Modell für die Zukunft.

Auch in den LOCKDOWN DIARIES von „Hamburg mit Vergnügen“ dreht sich alles um die Frage, wie unterschiedliche Menschen der Kulturszene die Zeit der Corona-Pandemie erleben. Dabei fallen unterschiedliche Stimmungsbilder auf.

AUTOR*INNEN

Die Branche rund um Autor*innen ist hart durch die Krise getroffen worden. In den LOCKDOWN DIARIES berichtet zum Beispiel der Autor und Moderator Johannes Floer (tritt unter anderem bei Lesungen und Poetry Slams auf; hat eine eigene Show: „Ich bin genau mein Humor“), dass sich seine anfängliche Euphorie über die neugewonnene freie Zeit mittlerweile in die Erkenntnis einer harten neuen Realität verwandelt hat. Genau wie viele andere Künstler*innen kann auch er nicht einfach ins Homeoffice gehen und Kurzarbeit anmelden, sondern muss auf Rücklagen zurückgreifen, um sich über Wasser zu halten. Via Online-Streams versucht Floer weiterhin vor Zuschauer*innen aufzutreten, allerdings sieht er in den Internetauftritten nicht nur Vorteile. Zum einen mangele es bei den Streams an Atmosphäre; oftmals bleibe bei den Auftritten die Stimmung durchgehend so kühl wie bei einem Liveauftritt normalerweise die ersten paar Minuten, wenn sich Künstler*in und Publikum noch aneinander gewöhnen müssen. Zum anderen würde das mittlerweile herrschende Überangebot an verfügbaren – zum großen Teil kostenlosen – Livestreams im Netz den Eindruck vermitteln, es würde der Branche gutgehen und die Künstler*innen würden ihre Auftritte nur aus reinem Idealismus und aus Liebe zu ihrem Job veröffentlichen, während sie in Wahrheit um ihr Überleben kämpfen. Floer findet deutliche Worte für seine derzeitige Situation und die seiner Kolleg*innen:

„Für viele heißt Kultur vermutlich bloß, zweimal im Jahr zu einem Konzert zu gehen oder ab und zu mal zu einer Lesung. Das ist falsch, Kultur ist überall, in jeder Ecke unseres Alltags begegnet uns Kunst. Hinter allem, was uns Freude bereitet, steckte zunächst ein kreativer Gedanke. Kultur ist kein Luxus. Aber viele, die sie herstellen, haben gerade exakt 0 Euro monatliche Einnahmen, und zwar auch die, die gut mit Geld umgehen und planen können. Die gesamte Branche ist gefährdet und daran gibt es nichts, wirklich nichts Positives.“ 

Auch Jonathan Löffelbein, der als freischaffender Künstler unter normalen Umständen bei Lesungen und Slam Poetry-Gigs auftritt, beschreibt seine Situation als schwierig. Er lebt von Rücklagen und ist gleichzeitig auf Jobsuche. Er sagt:

Die Zeit steht still und ist ein Sumpf geworden. Die Tage verschwimmen. Ich kann nicht sagen, was in den letzten vier Wochen passiert ist. Alles fühlt sich wie ein großes Gestern an. Und: Die Krise trifft diejenigen am heftigsten, die die wenigsten Ressourcen haben und anstatt wirklich was an der Struktur der Gesellschaft zu verändern hat man ein paar Tage am Balkon geklatscht […].“

Beispielhaft für die vielen Schriftsteller*innen berichtet Jasmin Schreiber von ihrer neuen Realität mit Corona. Die Autorin hätte eigentlich 2020 mit ihrem Debütroman auf große Lesereise gehen sollen. Doch der Ausbruch der Pandemie hat ihren Plänen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nicht nur die Tour ist abgesagt worden, auch die Stichtage für die Auszahlung von Honorarraten haben sich verschoben. Geld steht nun nicht zur Verfügung, das bereits fest für Ausgaben wie die Miete eingeplant war. Per Twitch hält sie gegen Spenden Online-Lesungen ab und nutzt die frei gewordene Zeit ansonsten, um weiter an neuen Projekten zu schreiben. Was ihr aber in diesen Zeiten am allermeisten fehle (und da schließt sie sich ihren beiden Kollegen an), sei das Gefühl auf der Bühne vor Publikum zu stehen und mit diesem in Kontakt zu sein. Sie beschreibt eine große Unterstützung aus ihrem Umfeld, die sie allerdings (genau wie die beiden anderen) von Seiten der Politik schmerzlich vermisse.

BOOKER, DJs; CLUBS

In der Szene der Clubs, Booker und DJs sieht die Stimmungslage dagegen schon weniger düster aus. Viele Musiker*innen und DJs haben auch während des Lockdowns und trotz geschlossener Clubs weiterhin ein Einkommen, zum Beispiel durch Streaming, Plattenverkäufe, GEMA etc. Das DJ-Duo Andhim berichtet, dass man innerhalb der Szene angesichts der Umstände enger zusammengerückt sei. Beispielsweise ist eine solidarische Streaming-Plattform aller Clubs der Hansestadt entstanden (unitedwestream Hamburg) und es sind Crowdfunding-Kampagnen gestartet worden. Mit Hilfe verstärkter Online-Präsenz versuchen die Künstler*innen weiterhin im Gespräch zu bleiben. Zwar hatte die Corona- Krise zu Beginn auch beim DJ- Duo für eine Achterbahn der Gefühle gesorgt, doch mittlerweile sind die anfängliche Wut und Verzweiflung, die Existenzangst und das Unverständnis in den Hintergrund gerückt und haben Platz gemacht für Kreativität, die ungeachtet von Deadlines und ohne Druck ausgelebt werden kann.

Zwei Booker (von Uebel&Gefaehrlich und vom Molotow Club in Hamburg), die sich normalerweise um die Organisation von Konzerten und der Clubnächte kümmern, berichten ebenfalls, dass sich ihre Arbeit stark auf die Onlineplattformen verlagert hat. Auch wenn die Angebote vom Publikum größtenteils gut angenommen werden und die Szene diesbezüglich eine positive Resonanz erfahren habe, sei es doch schwer, die eigentliche Essenz des Jobs, den persönliche Austausch und die Euphorie in Streams und Videochats zu verpacken. Zudem bedeute die Aufgabe, auf Online-Plattformen nicht ins Abseits zu geraten, insgesamt mehr Arbeit als vorher – aber dafür weniger Geld. Dennoch sehen auch sie etwas Inspirierendes in der Situation. Zitat von Malte, dem Booker von Uebel&Gefährlich:

„Clubs und Musiker*innen stehen vor einem riesigen Scherbenhaufen ihrer Existenzen, sind aber kreativer denn je.“

Ein weiterer DJ, der nebenher auch eigentlich als Beleuchter beim Film arbeitet, macht aber deutlich, dass er es mittlerweile nicht mehr schaffe, sich durch Rücklagen oder Geld durch seine Musik zu finanzieren, sondern staatliche Hilfe in Anspruch genommen hat. Zwar versucht auch er die Krise positiv zu nutzen und neue Musik zu produzieren. Dennoch schreibt er mittlerweile auch Bewerbungen, um in einem andere Berufszweig Fuß zu fassen, der mehr Sicherheit bietet.

KULTURSCHAFFENDE AM THEATER

Zwei Schauspielerinnen berichten, dass sie keine existenziellen Nöte haben, was sich aber vermutlich in diesem Fall zum Teil darauf zurückführen lässt, dass beide an großen Theaterhäusern Festangestellte sind. Sylvana Seddig, die als Ensemble-Mitglied an der Volksbühne Berlin und auch gelegentlich am Thalia Theater Hamburg auftritt, meint, dass Schauspieler*innen durch recht viel Erfahrung mit wenig Geld, vielen Absagen, Ablehnung sowie teilweise Ungewissheit und Unplanbarkeit möglicherweise von Natur aus eine höhere Depressions- und Angstresistenz haben und deshalb eher in der Lage sind die Krise positiv zu sehen und sie kreativ zu nutzen. Trotzdem betont sie auch, dass ohne die zwischenmenschliche und körperliche Nähe das Theater im traditionellen Sinne aktuell nicht mehr existiert. Das können auch Onlineauftritte nicht hergeben. 

QUELLEN

  • Statista (https://de.statista.com/themen/6218/auswirkungen-des-coronavirus-auf-die-kultur-und-kreativwirtschaft/
  • Never Lunch Alone (Podcast: https://kreativgesellschaft.org/wissen/neverlunchalone/) 
  • Clubs, Booker (DJs: https://mitvergnuegen.com/2020/lockdown-diaries-clubs-djs-booker/)
  • Autor*innen (https://mitvergnuegen.com/2020/lockdown-diaries-autorinnen/)
  • Kulturschaffende am Theater (https://mitvergnuegen.com/2020/lockdown-diaries-kulturschaffende-theater-corona-krise/)

Sind Kunst und Kultur „systemrelevant“?

Ein Essay von Paula

„Wir sind vom Aussterben bedroht!“  

Solch klare Worte findet der Artist Fabio Zimmermann von der Initiative KünstlerHilfeJetzt!, als er am 09. Dezember 2020 vor einem gigantischen Dinosaurierskelett am Brandenburger Tor steht. Hier kämpft er gemeinsam mit anderen Vertreter*innen um das Überleben der Kulturbranche und somit auch sein eigenes. Der Titel der Veranstaltung AlarmstufeDunkelrot spricht Bände. Laut Organisator Dirk Wöhler sind etwa 4,5 Millionen Menschen in Deutschland vom Lockdown der Veranstaltungs- und Kulturbranche betroffen. Und obwohl die Politik den Hilferufen aus der Kulturszene inzwischen mehr Aufmerksamkeit schenkt und Hilfspakete ausbaut, fühlen sich die Betroffenen vom Staat im Stich gelassen und gesellschaftlich benachteiligt. Hilfen kamen zu spät und unzureichend, so das Echo aus der Branche. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Kulturbetrieb im März die Diagnose „nicht systemrelevant“ von der Bundesregierung erhielt. Gerade zu Beginn der COVID-Krise war das Schlagwort „Systemrelevanz“ in aller Munde. Vor allem im politischen Diskurs wurde darüber debattiert, wer oder was als systemrelevant gelten solle. In anderen Worten: Es wurde diskutiert, wer das Recht auf die Ausübung des eigenen Berufes und auf staatliche Unterstützung habe. Doch was meint eigentlich „systemrelevant“? In diesem Beitrag wird der Begriff erklärt und in Verbindung mit dem Kulturbetrieb in der Corona-Zeit beleuchtet, um der Frage auf den Grund zu gehen: Sind Kunst und Kultur systemrelevant?

Was bedeutet „systemrelevant“?

Der Begriff „systemrelevant“ scheint zunächst recht selbsterklärend: etwas ist systemrelevant, wenn es notwendig für die Funktionsfähigkeit eines bestehenden Systems ist. Zwei Bestandteile sind also wichtig: das System und seine Relevanz. Um die aktuellen Debatten rund um die Anti-Corona-Maßnahmen und staatlichen Hilfspakete zu verstehen, ist es jedoch hilfreich „Systemrelevanz“ auch als einen politischen und dynamischen Begriff anzuerkennen. Besonders in Krisenzeiten findet dieser im politischen Diskurs oft Verwendung. Allerdings ist dabei von unterschiedlichen zu rettenden Systemen die Rede. Und auch die Relevanz, die diesen Systemen sowie den Akteur*innen, die sie aufrechterhalten, zugeschrieben wird, basiert stets auf unterschiedlichen Glaubensgrundsätzen.  

Ein Beispiel. In der Finanzkrise 2008 wurden enorme finanzielle Rettungsschirme für Banken wegen ihrer erklärten „Systemrelevanz“ legitimiert. Im Glauben an den Neoliberalismus galt es hier, das bestehende Wirtschafts- und Finanzsystem zu retten. In der aktuellen Lage lässt sich nicht so leicht ein bestimmtes System identifizieren, das bewahrt werden soll, da die sogenannte Corona-Krise alle Lebensbereiche und Sektoren betrifft. Umso bedeutender ist der politische und öffentliche Diskurs, der prägt, was als „systemrelevant“ eingestuft wird. Systemrelevanz wird zum Entscheidungskriterium für gesetzliche Einschränkungen und Hilfsmittel und hat somit reale Konsequenzen. Und obwohl die Wahrung von Leben dabei im Mittelpunkt stehen soll, hat ironischerweise genau diese Einteilung lebensbedrohliche Folgen für einige Sektoren – zum Beispiel für den Kulturbetrieb. 

Die (System-)Relevanz deutscher Kultur  

Akteur*innen können aufgrund diverser Faktoren als systemrelevant gelten. Welche Aspekte machen also den Kulturbetrieb so bedeutend?  

Ökonomische Relevanz

Wie an der Priorisierung des Einzelhandels gegenüber dem Veranstaltungs- und Kulturbereich offenbart wurde, wird Systemrelevanz noch häufig an der Wirtschaftlichkeit eines Sektors gemessen. Auch wenn die direkte Bruttowertschöpfung der Kulturbranche bei nur etwa 0.7% liegt [1], sollte ihr indirekter wirtschaftlicher Mehrwert nicht unterschätzt werden. Einer Wirtschaftsanalyse zufolge besteht nämlich eine positive Korrelation zwischen dem Kulturangebot und der Stärkung der Regionalwirtschaft. Durch eine kulturelle Attraktivitätssteigerung der Region werden nicht nur hochqualifizierte Arbeitskräften angezogen, sondern folglich auch Produktivitäts- und Lohnsteigerungen erzielt. Außerdem darf nicht in Vergessenheit geraten, dass sich die Pandemie am zweitstärksten negativ auf die Beschäftigten des Kunst- und Kultursektors ausgewirkt hat. Für viele Familien ist dieser wirtschaftlich also eindeutig relevant. 

Gesellschaftliche & politische Relevanz 

Von Theaterensembles über Orchester und Chöre bis hin zu Zeichengruppen – kulturelle Freizeitangebote waren aus dem Alltag vieler Menschen gar nicht mehr wegzudenken. Seit März 2020 werden diese kreativen Räume und die damit verbundenen Gemeinschaften nun schon vermisst. Doch die gesamtgesellschaftliche Bedeutung von Kulturangeboten geht weit über diesen individuellen Mehrwert hinaus. Gerade in belastenden Krisenzeiten bietet Kunst ein Ventil und einen Weg zur Bewältigung. In unserer aktuellen „Lebensformkrise“ helfen Kunst und Kultur existierende Strukturen zu hinterfragen und weiterzudenken sowie gesellschaftliche Ereignisse aufzuarbeiten. Kunst und Kultur sind aufgrund ihrer Unabhängigkeit vom Markt und ihrer nahezu grenzenlosen Freiheit einzigartige Plattformen für Reflektion und Diskussion. Manche Künstler*innen sehen Kultur als Grundrecht an und berufen sich dabei auf die Meinungsfreiheit und den verfassungsrechtlichen Schutz der Kultur. Fest steht, dass eine pluralistische und kulturpolitische Gesellschaft von der Auseinandersetzung mit aktuellen Themen wie Interkulturalität, Migration und Globalisierung durch verschiedene Kunstformen lebt. Kunst und Kultur dienen also dem gesellschaftspolitischen Diskurs und spielen eine wichtige Rolle in der Förderung der Demokratie. Für Fabio Zimmermann ist die gesellschaftliche Rolle von Kunst und Kultur eindeutig: „Wenn das Virus gewinnt, dann stirbt zuerst die Kunst und dann die Gesellschaft“.  

Nationale Relevanz

Spätestens wenn es in der Schule um die Weimarer Klassik geht, wird Deutschland als das „Land der Dichter und Denker“ gepriesen. Hinter dieser gängigen Bezeichnung verbirgt sich ein wichtiger Teil des Selbstbildes und der nationalen Identität. In einer Rede aus dem Jahr 2004 bekräftigte Kanzlerin Merkel: „Kultur ist Heimat“. Folglich manifestiert sich für Merkel „das Selbstverständnis eines Kulturstaates“ in der Pflege seiner Kulturlandschaft. Dieser hohe Stellenwert von Kunst und Kultur lässt sich historisch erklären. Durch die Zersplitterung und Kleinstaatlichkeit im 17. und 18. Jahrhundert entstand eine Kulturlandschaft, deren Bandbreite an Ausdrucksformen bemerkenswert ist. Aufgrund ihrer Institutionalisierung im 19. Jahrhundert ist uns bis heute ein reiches Kulturerbe erhalten geblieben. Trotz dieser fast schon nostalgischen Vorstellung deutscher Kultur ist ihre Bedeutung für die nationale Identität auch im Hier und Jetzt zu verorten. Die deutsche Kulturpolitik beschwört Kunst und Kultur nämlich „als die Neuerfindung des kollektiven Lebensgrundes einer erst verspäteten, dann gestörten Nation, die nun im dreißigsten Jahr ihrer Einheit steht“. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was aus einem Land, das sich selbst als kultiviert versteht, ohne Kultur werden würde. 

Ist Kultur demnach „systemrelevant“? Bei dieser Frage scheiden sich weiterhin die Geister. In der Auflistung systemrelevanter Sektoren des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales taucht die Kulturbranche zwar nach wie vor nicht auf, jedoch haben führende Politiker*innen, darunter auch Kanzlerin Merkel, die Bedeutung der Kulturlandschaft hervorgehoben. Die LINKE und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann äußerten sich noch deutlicher in ihren Stellungnahmen: Kultur sei system- und gesellschaftsrelevant, hieß es darin.  

Staatliche Hilfen: Too little, too late?  

Auch wenn zurecht beklagt wird, dass der Kulturbetrieb am Anfang der Krise übersehen wurde, hat die Bundesregierung schon im März 2020 mit einem ersten Hilfspaket zur Existenzsicherung von Kulturschaffenden reagiert. Dieses erste Programm wurde von Vertreter*innen aus der Szene scharf kritisiert, da Soloselbständige und private sowie gemeinnützige Kulturstätten dabei durch das Raster fielen. Während Festangestellte an Theaterhäusern Kurzarbeitergeld beziehen konnten, blieb finanzielle Unterstützung bei freischaffenden Künstler*innen während der ersten Welle aus. Dies lag zum einen daran, das Letztere in der Regel keine festen Verträge und nur unregelmäßige Einnahmen vorweisen können, anhand derer Hilfen kalkuliert werden. Obwohl die Hilfspakete inzwischen ausgeweitet wurden, um auch alle Soloselbstständigen und Kulturzentren einzuschließen, wird nach wie vor diese realitätsferne Berechnungsweise verwendet, um zu ermitteln, wem wieviel zusteht. Da freie Künstler*innen in manchen Monaten große Aufträge mit entsprechenden Gagen und in anderen wiederum kaum Arbeit haben, lässt sich ein monatlicher Ausgleich nur schwer an den Vorjahresumsätzen festmachen. Darüber hinaus gibt es strenge Abzüge, wenn jemand im Haushalt Verdienste vorzuweisen hat. Es wird beklagt, dass am Ende kaum etwas übrigbleibt. Deshalb kritisiert die Initiative AlarmstufeDunkelrot: Die „Grundsicherung für Selbständige in dieser Situation ist Insolvenz per Regierungsbeschluss“. Auch der deutsche Kulturrat zeigte sich skeptisch über den ungerechten und länderspezifischen „Förderflickenteppich“.  

Neben den länderspezifischen Hilfen gibt es jedoch auch aktuelle Hilfsprogramme des Bundes, die sogenannten Überbrückungshilfen. Dazu gehören inzwischen die außerordentlichen Wirtschaftshilfen, die zum Ausgleich von Corona-bedingten Verdienstverlusten dienen sollen, Hilfspakete speziell für Soloselbständige und Kleinunternehmer*innen, das Kurzarbeitergeld, eine Grundsicherung und Liquiditätshilfen. Konkret beinhalten diese Maßnahmen Ausgleichszahlungen (prozentualer Anteil des Referenzumsatzes des Vorjahres), einmalige Betriebskostenpauschalen, Unterhaltszahlungen und Zahlungserleichterungen bezüglich Steuern und Versicherungen. Trotz aller Kritik findet der deutsche Kulturrat auch lobende Worte für die Regierung, da die neuen Übergangshilfen eindeutige Fortschritte in Form von Ausweitungen und Anpassungen erkennen lassen. Dennoch kämpfen unzählige Kulturschaffende nach wie vor um das Überleben, weil Abschlagszahlungen noch nicht angekommen sind oder ganz einfach nicht ausreichen.  

Auch wenn der Name „Überbrückungshilfe“ Hoffnung auf ein baldiges Ende dieser Krise macht, wird sich die Kulturbranche wohl nur langsam davon erholen. Langfristige Probleme wie die chronische Subventionsabhängigkeit werden unverändert bleiben, während sich die schwierige Finanzlage des Kultursektors aufgrund der Corona-bedingten kommunalen Steuereinbußen zuspitzt. Bisher übernahmen Kommunen nämlich rund 50% der öffentlichen Kulturausgaben. Wie kann es also weitergehen?

Lösungsansätze

Da Kultur aktuell als „freie Selbstverwaltungsaufgabe“ der Kommunen gilt, liegen die Kulturetats in ihrem Ermessen und leiden häufig zuerst unter Sparmaßnahmen. Durch eine Kulturpflicht nach dem Vorbild sächsischer Kommunen sowie weitere Kulturgesetze könnte man dieser Dynamik entgegenwirken. In Bezug auf die allgemeinen Finanzprobleme des Kultursektors lohnt es sich zu überlegen, welche Geldgeber zukünftig erstrebenswert sind: Private oder staatliche Unterstützer? Welche Konsequenzen hätten Privatspenden oder eine zunehmende Verstaatlichung für die Unabhängigkeit und Freiheit von Kunst und Kultur? Wichtig ist, dass bei der Beantwortung dieser Fragen Kulturschaffende eingebunden werden.  

Die Kontaktbeschränkungen und Schließungen haben im Kulturbereich neue spannende Formate hervorgebracht. Die Diversifikation im Kultursektor durch innovative Angebote und Digitalisierung könnten zwar durchaus bedeutend bleiben, jedoch herrscht Einigkeit darüber, dass das echte Erleben von Kunst und Kultur nicht ersetzbar ist. Denn egal, ob man Kultur als systemrelevant einstufen mag oder nicht – Kunst und Kultur sind lebensrelevant, da sie das Leben lebenswerter machen. 

[1] Dieser Wert ist bereinigt von der Software-, Gaming- und Film-Industrie.

Quellenverzeichnis

Engagiert im Projekt HALT! In Zeiten von Erschütterung

Beitrag von Luisa

Moin, ich bin Luisa und studiere aktuell im 3. Semester Politikwissenschaften an der Uni Hamburg. Ich bin gerade erst nach Hamburg gezogen und hatte mir bereits vor Beginn des Wintersemesters fest vorgenommen, mich neben dem Studium irgendwo zu engagieren, nachdem das in den letzten Jahren aus Zeitgründen definitiv zu kurz gekommen ist. Glücklicherweise bin ich dann beim Stundenplan-Zusammenbasteln über das Seminar „Ziviles Engagement und Studium verbinden“ gestolpert und war gleich Feuer und Flamme.

Aufgrund von ersten Gesprächen und der aktuellen Lage mit Corona, die die Mithilfe in sozialen Bereichen in vielerlei Hinsicht erschwert, habe ich mich dazu entschieden, etwas im kulturellen Bereich zu machen. Durch Cornelia bin ich auf das Projekt „HALT! In Zeiten der Erschütterung“ der Zinnschmelze Barmbek aufmerksam geworden. Mittlerweile hat bereits ein Gespräch vor Ort stattgefunden, in dem ich Paula (eine weitere Seminarteilnehmerin), Cornelia und Sonja Engler (Geschäftsführerin der Zinnschmelze) kennenlernen konnte und wir uns ausgiebig über bisherige Ideen bezüglich des Projektes unterhalten haben. Es handelt sich dabei um eine Veranstaltungsreihe, die sich mit aktuellen Themen unserer Zeit beschäftigt und versucht, diese mithilfe diverser Aktionen der Öffentlichkeit nahezubringen.

In der vergangenen Woche habe ich in einem Online-Meeting mit Paula, Cornelia und Lukas (Ehrenamtler bei der Zinnschmelze) über das weitere Vorgehen im Projekt gesprochen und wir haben bereits erste Ideen zusammengetragen. In zwei Wochen ist ein weiteres Treffen geplant, in dem wir unsere eigenen Ideen konkretisieren wollen, um einen Plan für die zukünftige Zeit zu erschaffen und möglichst bald mit der eigentlichen Arbeit beginnen zu können.

„HALT! In Zeiten der Erschütterung“ – Veranstaltungsreihe der Zinnschmelze (Hamburg Barmbek)

Beitrag von Paula

Moin!

Mein Name ist Paula und ich studiere im Zweitstudium Afrikanische Sprachen und Kulturen an der Uni Hamburg. Während meines ersten Bachelors blieb mir leider nur wenig Zeit, um mich ehrenamtlich zu engagieren, weshalb ich mit dem Vorsatz nach Hamburg kam, daran etwas zu ändern. In der Vergangenheit habe ich erlebt, wie spannend und lehrreich das Engagement in verschiedenen Organisationen sein kann. Da dieses Seminar zusätzlich dazu noch theoretischen Input und Austauschmöglichkeiten mit Gleichgesinnten bietet, zögerte ich nicht lange und meldete mich an. 

Bei der Suche nach einem Engagement für das Wintersemester stieß ich auf dieser Webseite auf ein Projekt des Kulturzentrums Zinnschmelze mit dem Titel „HALT! In Zeiten der Erschütterung“. Dahinter verbirgt sich die Idee eine Plattform zu schaffen, die sich mit den erschütternden Ereignissen des vergangenen Jahres – von der globalen Klimakrise über rassistischen und rechtsextremistischen Anschlägen bis hin zu den vielfältigen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie – befasst. In diesen besonderen und auch fordernden Zeiten erscheint mir eine Auseinandersetzung mit solchen schwerwiegenden Themen, aber ebenso die Frage, was einem Halt gibt, sehr wichtig.

Kaum war mein Beschluss gefasst, stand auch schon ein erstes Treffen mit Sonja Engler, der Projektleitung der Zinnschmelze, sowie Cornelia Springer, unserer Koordinatorin, und meiner Kommilitonin Luisa fest. Frau Engler gewährte uns genauere Einblicke in die Vision und den Rahmen des Projekts, ließ uns jedoch großen Handlungsspielraum, um eigene Ideen zu entwickeln und einzubringen. Da aufgrund der aktuellen Lage natürlich keine Veranstaltungen stattfinden können, wird sich das Projekt vorerst um Formate wie Blogs, Interviews oder Podcasts drehen. Inhaltlich einigten wir uns auf einen ersten gemeinsamen Themenschwerpunkt, nämlich den Kulturbetrieb unter Corona.

Mit Verstärkung von Lukas, der unsere vierköpfige Arbeitsgruppe vervollständigt, starteten wir am vergangenen Mittwoch in unser erstes Zoom-Meeting. Ziel war es, ein genaueres Konzept zu erstellen, mögliche Interview-Partner*innen, Formate und inhaltliche Fragen zu brainstormen. Letztendlich beschlossen wir, für den ersten Themenblock Interviews zu führen und diese in Kombination mit selbstverfassten thematischen Beiträgen aufzuarbeiten. Da ich zum ersten Mal an einem Projekt dieser Art mitarbeite, war ich sehr dankbar von dem großen Erfahrungsschatz des Teams lernen zu können.

Unser nächstes Treffen ist für den 16.12. angesetzt. In der Zwischenzeit werden wir uns über Microsoft Teams und Padlets auf dem Laufenden halten, denn die aktuellen Aufgaben wurden bereits eingeteilt. Dazu zählt primär die Suche nach Vertreter*innen aus dem Kulturbetrieb sowie die Recherche zu bestimmten inhaltlichen Schwerpunkten in Vorbereitung auf die Interviews. Im Zuge dessen werde ich der Frage „Ist Kultur systemrelevant?“ auf den Grund gehen.

Ich bin gespannt auf die kommenden Wochen und freue mich auf die Arbeit im Team!